Kaufleute sind gegen Einbahnstraßen
Verkehrsführung könnte sich demnächst auf mehreren Straßen ändern/Am Mobilitätskonzept gibt es Kritik.
im Anhang ein Leserbrief dazu
Von Friedrich Niemeyer
Cloppenburg. Mit einer Unterschriftenaktion wehren sich Anlieger gegen eine mögliche Umgestaltung der Osterstraße in eine Einbahnstraße. Eine entsprechende Umwandlung schlägt das lange erwartete Mobilitätskonzept auf mehreren Straßen in der Stadt vor.
Anliegerin Ursula Bernhardt trommelt nun gegen die mögliche Einbahnstraße vor der Tür ihres Inkassounternehmens. Sie sieht auch die weiteren möglichen neuen Einbahnstraßen kritisch. Die 63-Jährige hat die Unterschriftenaktion gestartet und Listen verteilt. An die betroffenen Geschäfte werde zu wenig gedacht, kritisiert sie auf Nachfrage.
Sollte die Stadt das entwickelte Mobilitätskonzept so umsetzen, würde der Autoverkehr vor allem rausgeführt und kaum noch hinein. Sie befürchtet, dass viele gar nicht mehr in die Innenstadt fahren und den Geschäften deshalb Einnahmen wegbrechen. Zudem werde womöglich der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Bernhardt plädiert dafür, erst das Einzelhandelskonzept zu beschließen, bevor der Stadtrat für das Mobilitätskonzept stimmt.
Ursula Bernhardt sorgt sich um Geschäfte in der Innenstadt
Stadtverwaltung und Verkehrsexperten haben das Mobilitätskonzept gemeinsam entwickelt. Beschlossen wurde noch nichts. Sie schlagen unter anderem vor, mehrere Hauptverkehrsachsen abschnittsweise zu Einbahnstraßen umzuwandeln, darunter Teile der Osterstraße (in Richtung Bethen, von der Einfahrt zur Burgstraße bis zur Hagenstraße). Das ist Bernhardts Hauptkritikpunkt.
Die Unternehmerin betont, dass die Osterstraße eine Durchgangsstraße ist. Etwa 11.000 Autos befahren sie im Schnitt täglich. Ihr anliegendes Inkassobüro habe zwar kaum Laufkundschaft, die ehemalige CDU-Ratsfrau sorge sich allerdings um die weiteren Geschäfte in der umliegenden Innenstadt. Sie wolle mit der Unterschriftenaktion eine „Diskussion lostreten“ und fordert mehr Miteinander. „Man muss mit den Händlern sprechen“, sagt sie. Allerdings hat die Stadt im Vorfeld mehrere Veranstaltungen organisiert, auf denen Bürger sich an der Erstellung des Mobilitätskonzepts beteiligen konnten. Daran habe sie nicht teilgenommen, sagt Bernhardt. Sie meint außerdem, dass die Stadt für mehrere Millionen Euro ein Parkhaus am Bürgermeister-Heukamp-Platz baut, das später womöglich leer steht. Den übrigen Maßnahmen des Mobilitätskonzepts steht Bernhardt offen gegenüber. Mehr Tempo-30-Zonen, breitere Radwege und mehr Fahrradstraßen: Dagegen habe sie nichts. Die Einbahnstraßen aber dürften nicht kommen.
Frank Ellmann, ebenfalls Anlieger der Osterstraße und Geschäftsführer des Cine-Centers, schließt sich ihr an. Die Einbahnstraßen könnten zum „GAU“ für die Innenstadt werden. „Es wird Chaos geben“, befürchtet er. Die Leute wüssten nicht mehr, wie sie überhaupt noch mit dem Auto in die Innenstadt fahren können. Sie könnten auf Schleichwege ausweichen, wie es sich bereits jetzt beobachten lässt, wenn Straßen gesperrt werden. Viele würden erst gar nicht mehr nach Cloppenburg fahren. Die Kunden, viele aus umliegenden Dörfern, fahren nun einmal mit dem Auto in die Stadt.
„Wir werden nicht schlagartig eine Fahrradstadt wie Groningen“, sagt Ellmann. Er, Bernhardt und weitere Kaufleute wollen Bürgermeister Neidhard Varnhorn am Donnerstag in einem direkten Gespräch ihre Kritik vortragen.
Aus Cloppenburg eine „autofreundliche Fahrradstadt“ zu machen, ist das Ziel der Stadtverwaltung. Auf Grundlage des Mobilitätskonzepts wollen sie und Teile des Stadtrats den Verkehr in Cloppenburg in den kommenden Jahren grundlegend neu gestalten. Anfang September wurden wesentliche Teile vorgestellt, die aufeinander abgestimmt sind. Dazu gehören die neuen Einbahnstraßen. Bernhardt und Ellmann sehen hierbei vor allem die Risiken für die Kaufleute.
In Cloppenburg sind 1900 Menschen starkem Verkehrslärm ausgesetzt
Allerdings birgt das Konzept viele Chancen für Cloppenburg. Darauf weisen die Verkehrsexperten und Vertreter der Stadtverwaltung hin. Es sei der „Schlüssel für eine nachhaltige und lebenswerte Stadt“, sagt zum Beispiel der Projektleiter. Setzt die Stadt die Maßnahmen „in den nächsten 10, 20, 30 Jahren“ um, könne sie die Aufenthaltsqualität, Verkehrssicherheit sowie Barrierefreiheit steigern und gleichzeitig die Erreichbarkeit für alle wahren. Das Auto solle nicht verteufelt werden. Den Autoverkehr aber müsse die Stadt auf lange Sicht reduzieren.
Warum, macht zum Beispiel der Lärmaktionsplan deutlich: Demzufolge sind etwa 1900 Menschen in Cloppenburg starkem Verkehrslärm ausgesetzt, in fast 500 Fällen störe der Verkehrslärm den Schlaf in einer starken Weise. Der Autoverkehr nahm in den letzten Jahren deutlich zu. Das zeigen Zahlen des Landkreises. Waren vor 20 Jahren noch etwa 110.000 Fahrzeuge zugelassen, sind es heute über 170.000. Die Folge: Der (Auto-)Verkehr stockt zunehmend, auch in der Stadt.
Mit dem jüngst eingeführten Stadtbus und dem Bau breiterer Radwege sowie Fahrradstraßen sollen Anreize geschaffen werden, das Auto öfter stehen zu lassen. So könnte der Verkehr in der Stadt insgesamt wieder flüssiger für alle werden. Frank Ellmann allerdings hält das „Wunschdenken“, sagt er, auch wenn er gute Ansätze sehe. „Die Cloppenburger sind autoaffin.“ Cloppenburg sei eine Stadt mit Dorfcharakter, und die Bürger würden aus Gewohnheit Auto fahren; am liebsten bis direkt vors Geschäft.
Copyright: OM-Medien / OM-Online / Text und Foto von Friedrich Niemeyer.
Dazu ein Leserbrief von Michael Bertschik:
Zeitungsartikel vom 17.10.24 Kaufleute sind gegen Einbahnstrassen
Die Kaufleute haben es in der jetzigen Zeit nicht leicht, zugegeben. Dennoch: Kaum ist das Mobilitätskonzept auf dem Tisch, fängt das Wehklagen einiger Kaufleute an. Die geplanten Einbahnstraßen sind das erklärte Übel, hier die Osterstrasse. Übrigens, man kann von Ahlhorn kommend über die Umgehungsstraße und die Friesoytherstraße zur Osterstraße fahren und dann links und rechts in der Osterstraße parken.
Man erinnere sich: Vor einigen Jahren wurde die Osterstraße zum Wohle der anliegenden Kaufleute ausgebaut, ohne Radweg, aber mit vielen Parkplätzen. Ebenso die Emstekerstraße, die zuerst keine Parkbuchten bekommen sollte, dann aber wurde dem Interesse der Kaufleute nachgegeben.
Die Stadt hat jetzt ein Mobilitätskonzept vorgelegt, bei dem sich über Monate hinweg die Bürger miteinbringen und ihre Ideen vortragen konnten. In mehreren Sitzungen wurde das Für und Wider diskutiert. Warum ist dort die jetzige Kritik nicht geäußert worden?
Das Mobilitätskonzept sieht vor, den Fahrradfahrern und Fußgängern, ebenso Kindern und alten Leuten mehr Raum und Sicherheit zu geben.
Natürlich sind wir in Deutschland noch längst nicht so weit wie die Niederländer oder die Dänen, aber man kann endlich damit anfangen, sicheren Verkehr auch in kleineren und engen Orten zum Wohl aller hinzubekommen.
Vor diesem Hintergrund ist die Kritik der Kaufleute nicht zu verstehen, denn auch ihnen sollte das Wohl der Gesamtbevölkerung Cloppenburgs am Herzen liegen, besonders wenn man den Umweltgedanken mit einbezieht.
Michael Bertschik