Schülerinnen weisen Fahrer auf Regeln hin
Fast minütlich brechen Autofahrer die Regeln und fahren durch Cloppenburgs einzige Fahrradstraße
Von Friedrich Niemeyer
Cloppenburg. Die Verkehrsregeln in der Kirchhofstraße stehen unmissverständlich auf den Schildern: Wer kein Anlieger ist, hat mit dem Auto in Cloppenburgs einziger Fahrradstraße nichts zu suchen. Trotzdem brechen Autofahrer die Regel reihenweise, auch an diesem Donnerstagmittag.
Ganz ungeschoren kommen sie dieses Mal nicht davon. Die Grundschülerinnen Lia und Mayla stehen bereit und halten die Regelbrecher gemeinsam mit Oberkommissarin Marina Gunz an. „Sind Sie Anlieger?“, fragt die Kommissarin. Nein, keiner der angehaltenen Autofahrer ist Anlieger. Gunz klärt sie über die Regeln auf. Die Autofahrer haben Glück: Ein Bußgeld müssen sie dieses Mal nicht zahlen. Dafür drücken Lia und Mayla ihnen einen Flyer in die Hand. „Fahrradstraße ist, wenn das Fahrrad die erste Geige spielt“, steht unter anderem darauf.
Lia und Mayla sind Schülerinnen der Grundschule St. Andreas. Die Viertklässlerinnen überqueren die Fahrradstraße beinahe täglich und wissen, dass die Autos dort eigentlich nicht langfahren dürfen und den Radfahrern zumindest Vorfahrt gewähren sollten. „Wir möchten, dass die Autos auf der richtigen Straße fahren“, sagt Mayla. Aber auch Radfahrer hielten sich nicht an die Regeln und würden zum Teil auf der falschen Seite des Bürgersteigs fahren, „ohne vorsichtig zu sein“.
Bei den Flyern soll es nicht bleiben. Die Schülerinnen haben sich auch Plakate besorgt, die sie demnächst in Geschäften in Cloppenburg aufhängen wollen. Auf den Plakaten steht beschrieben, welche Regeln auf Fahrradstraßen gelten. Auf die Idee für ihre Aktion kamen Lia und Mayla im Rahmen des Projekts „Frei Day“ an der Grundschule St. Andreas.
Donnerstags dürfen Schüler ihre Ideen selbstständig umsetzen
Jeden Donnerstag dürfen die Schüler für 3 Stunden aus dem Schulalltag ausbrechen und ihre eigenen Ideen selbstständig umsetzen. „Die zwei haben mich per Mail angeschrieben und gefragt, ob ich sie unterstützen kann“, sagt Gunz. Die Kommissarin zögerte nicht lange: „Das ist eine tolle Idee.“ Flyer, Plakate und Türanhänger besorgten sich die Schülerinnen von der „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen“ (AGFK). „Das sind 5 Kilo Flyer“, sagt Mayla und hebt den Karton hoch. Einige davon will sie gemeinsam mit Lia an weitere Schulklassen der Grundschule St. Andreas verteilen. So soll sich ihr Anliegen rumsprechen, hoffen die zwei.
Warum fahren so viele Autos in die Fahrradstraße? Kommissarin Gunz erklärt den Grundschülerinnen, dass zum Beispiel die Abbiegespuren auf der Molberger Straße ortsfremde Autofahrer fehlleiten. Erst wenn sie abgebogen sind, merken sie mitunter, dass sie gerade in eine Fahrradstraße gefahren sind. Wieder umdrehen würden die wenigsten. Fast minütlich fahren Autofahrer an diesem Donnerstagmittag durch die Fahrradstraße. Im März 2022 hatte die Polizei 43 Verstöße in 30 Minuten festgestellt.
Jeden Tag bildet sich eine „Riesenschlange“ an Elterntaxis vor der Schule
Pläne der Stadt Cloppenburg sehen unter anderem vor, deutlicher auf die Fahrradstraße hinzuweisen und die Abbiegespuren zu entfernen.
Nicht nur ortsfremde Autofahrer fahren durch die Fahrradstraße. Auch Eltern der St.-Andreas-Grundschüler missachten die Regeln. Elterntaxis seien ein großes Problem an seiner Schule, sagt Schulleiter Ingo Götting. Jeden Tag bilde sich eine „Riesenschlange“ vor seiner Schule, berichtet Götting.
Kommissarin Gunz betont: „Kinder lernen die Regeln im Straßenverkehr nur, wenn sie sie erleben dürfen.“ Außerdem müssten sie lernen, Geschwindigkeiten und Abstände richtig einzuschätzen. Das passiere nicht, wenn Eltern sie bis vor die Türen der Grundschule kutschieren. Gunz und Götting appellieren deshalb, zum Beispiel die Hol- und Bringzone auf dem Marktplatz zu nutzen.
Die Schülerinnen und Schüler können dort aussteigen und den restlichen Weg zu Fuß zur Schule gehen.
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