Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Cloppenburg

Ignoriert: Statt den Piktogrammen zu folgen, setzt diese Radfahrerin ihre Tour auf dem Gehweg fort © Thomas Vorwerk

Radler müssen in Garrel noch viel lernen

Seit gut 3 Monaten läuft ein Verkehrsversuch und die OM-Medien machen eine Testfahrt

Von Thomas Vorwerk
Garrel. Seit gut 3 Monaten läuft der Verkehrsversuch in Garrel und was eigentlich bis Ende August Gültigkeit haben sollte, wird voraussichtlich noch etwas verlängert. „Alles andere ist nicht sinnvoll“, sagt Henning Rolfes aus dem Bauamt der Gemeinde. Bis feststeht, wie die Verkehrsführung in Zukunft aussehen wird, bleibt es also bei den gelben Markierungen auf Straße und Gehweg. Gut so, denn so haben einige Garreler noch etwas Zeit, sich mit geltenden Regeln auseinanderzusetzen. Nötig ist es.
Ein nicht repräsentativer Selbstversuch am Mittwoch hat einige Erkenntnisse zutage gefördert. Und wenn auch gerne auf die Autofahrer geschimpft wird, zur Mittagszeit sind es vornehmlich die Fahrradfahrer, die sich wenig um die Straßenverkehrsordnung scheren. Leicht hatten sie es vorher nicht entlang der Hauptstraße. Mal waren sie als Gast auf den Gehwegen geduldet, mal nicht. Mal durften sie sich linksseitig als „Geisterfahrer“ bewegen, mal mussten sie wieder die Straßenseite wechseln.
Die neuen Markierungen machen vieles anders, sind aber gewöhnungsbedürftig. Von der Varrelbuscher Straße kommend, ist der Radfahrer erst einmal abseits der Hauptstraße unterwegs, um dann ab der „Von-Herder-Straße“ auf die Fahrbahn geschickt zu werden. Und dort gehört er auch hin. Das sehen die Verkehrsregeln vor und das hat auch gute Gründe. „Dort werden sie vom motorisierten Verkehr wahrgenommen. Auf den Nebenanlagen nicht, und dann kann es beim Abbiegen brenzlig werden“, berichtet Rolfes.
Ich steige ab, um ein Foto zu machen. Kurz vor mir habe ich einen Fahrradfahrer verpasst, der mustergültig mit Handzeichen seinen Spurwechsel auf die Fahrbahn signalisiert. Meine nächsten Models lassen aber nicht lange auf sich warten. 
Nur, dass sie den von mir erwarteten Schwenk aussparen und weiter auf dem Gehweg fahren. Jeder ist zu etwas gut, auch wenn er nur als schlechtes Beispiel dient, habe ich mal gehört. Das Foto ist gespeichert. Eine weitere, nicht dokumentierte Demonstration einer Geisterfahrerin im blauen Sommerkleid lässt nicht lange auf sich warten. Sie wird heute Mittag nicht die einzige bleiben.
Der Verkehrsversuch sieht nicht nur Veränderungen für Radfahrer vor. Zwischen „Von-Herder-Straße“ und Rathaus gilt seit Anfang Mai Tempo 30. An mehreren Stellen wird für die Statistik gemessen. Das Ergebnis: 28 Prozent halten sich daran, 49 Prozent fahren zwischen 30 und 40 km/h und 23 Prozent sind mehr als 10 Kilometer pro Stunde zu schnell. Einerseits kein zufriedenstellendes Ergebnis, andererseits wurde zuvor bei erlaubten 50 auch schon mal 60 gefahren, sieht Henning Rolfes das Positive, nämlich die erreichte Verlangsamung.
Autofahrer müssen in Gegenfahrbahn, um zu überholen 

Wer Radfahrer überholen will, muss innerorts einen Abstand von 1,50 Metern einhalten. Da die Pedalritter aber nicht direkt an der Bordsteinkante unterwegs sind, ist für die Autos ein erheblicher Schlenker in die Gegenfahrbahn vonnöten. Auf meiner Testfahrt ist dazu keine Gelegenheit und so halte ich den Verkehr hinter mir. Auch den Linienbus. Der steht mit eingeschalteter Warnblinkanlage an der Haltestelle, um Fahrgäste ein- und aussteigen zu lassen. Langsames Vorbeifahren ist in diesem Moment erlaubt und als ich auf halber Höhe bin, rollt der Busfahrer los. 
Er erkennt mich im Spiegel und bremst, ich sehe ihn in seinem Spiegel und erahne, wie seine Begeisterung ob unserer Begegnung verhalten ausfällt. Dennoch werden wir die nächsten paar hundert Meter einander recht nah sein, denn ein Bus kann mich schon gar nicht überholen.
Kurz vor dem Rathaus ist er mich aber los, denn ich werde per Farbauftrag vom Asphalt auf das begleitende Pflaster gelotst. Um es mit den Worten meiner fast 3-jährigen Tochter zu sagen: „Warum?“. Denn die Markierung weist mir den Weg über die Anforderungsampel auf die linke Seite und von dort aus darf ich mich als Radfahrer auf dem Gehweg in „falscher Richtung“ fortbewegen. Dort bin ich aber nur Gast, habe Schrittgeschwindigkeit zu fahren und die Fußgänger nicht zu behindern. Zügiges Vorankommen ist somit regelkonform ausgeschlossen.
„Radfahrer frei“ ist für diese Variante dem Verkehrszeichen „Fußweg" zugeordnet. Ein Benutzungszwang ist damit nicht verbunden und Radfahrer können einfach auf der Ortsdurchfahrt bleiben. Auch wenn dort ab Rathaus wieder 50 Kilometer pro Stunde erlaubt sind. Ich drehe trotzdem um.
Zurück in Richtung Varrelbu-scher Straße spielt der Versuchsaufbau keine große Rolle mehr. Als gemeinsamer Rad- und Fußweg ist der Bürgersteig dort ausgewiesen, aber nur in Richtung Süden. Mit bis zum Limit ausgereizter E-Bike-Geschwindigkeit kommt mir ein Mann entgegen. Ich drehe mich um, schaue ihm nach. Es geschieht genau das, vor dem Henning Rolfes gewarnt hat. Ein Abbieger übersieht ihn, weil er an dieser Stelle auch nicht mit einem 25 km/h schnellen Biker rechnen muss. Beide bremsen bis zum Stillstand. Noch mal gutgegangen.
Geisterfahrer haben offenbar Radwandertag. In den nächsten 60 Sekunden begegnen mir drei Frauen im Abstand von wenigen Metern. Sie alle haben von dem Verkehrsversuch wohl nichts mitbekommen, auch wenn ihr Verhalten vorher genauso falsch gewesen wäre wie in dieser Testphase. Andere sind recht gut informiert. Schon 600 Rückmeldungen gab es von Einwohnern, erklärt Henning Rolfes und freut sich über das Feedback.
Noch mehr Resonanz erhofft man sich vom nächsten Bürgerdialog am 10. September (Mittwoch). Rolfes: „Ab 18.30 Uhr gibt es im Restaurant ,Zum Schäfer’ eine gute Gelegenheit, Meinungen, Kritik und auch positive Rückmeldung zu geben.“ Die Erkenntnisse dieses Abends, aber auch weiterer Treffen wie Anliegerversammlungen sowie statistische Werte werden am Ende in die Entscheidung einfließen, wie der Verkehr künftig im Ort gelenkt werden kann. 
Mein persönliches Fazit: Tempo 30 von Ortsschild zu Ortsschild und Radfahrer auf die Straße. „Radfahrer frei“ auf dem Gehweg ist eine Krücke, die Sicherheit schaffen soll. Sie ist aber Murks, denn wenn E-Bikefahrer mit 25 Sachen über den Bürgersteig brettern, ist es mit der Sicherheit vorbei.

Copyright:  OM-Medien / OM-Online / Text und Foto von Thomas Vorwerk


https://cloppenburg.adfc.de/pressemitteilung/radler-muessen-in-garrel-noch-viel-lernen

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