Stadt pocht weiter auf freie Hand bei Tempo 30
Bürger, Planer und Verwaltung diskutieren Verkehrskonzept/Künftig mehr Mobilitätszentren, Einbahn- und Fahrradstraßen möglich.
Von Friedrich Niemeyer
Cloppenburg. Wie sieht der Verkehr der Zukunft in Cloppenburg aus und welche Rolle spielt dabei das Auto? Diese und weitere Fragen diskutierten Bürger, Verkehrsplaner und Vertreter der Stadtverwaltung am Dienstag im Rathaus. 36 Cloppenburger besuchten den 4. Workshop zum ganzheitlichen Mobilitätskonzept.
Das Konzept soll der Stadt künftig einen Rahmen dafür geben, wie sie den Verkehr in der City grundlegend neu gestalten gestalten kann.
Mehrere Bürger brachten am Dienstag die Idee flächendeckender Tempo-30-Zonen ins Spiel. Die Stadtverwaltung pflichtete ihnen bei: „Wir kämpfen für flächendeckende Tempo-30-Zonen“, sagte der erste Stadtrat, Wigbert Grotjan.
Jedoch sieht die Stadt ihre Hände gebunden. Das Problem: Die Straßenverkehrsordnung, ein Bundesgesetz, lässt den Kommunen bisher kaum Spielraum. Die Stadt hatte sich bereits vor 2 Jahren der „Tempo-30-Initiative“ angeschlossen und will selbst entscheiden, wo sie Tempo-30-Zonen einrichtet. Wie die Initiative auf ihrer Homepage mitteilt, seien bereits 1068 Kommunen Teil des deutschlandweiten Bündnisses. Im vergangenen Jahr teilte die Stadt mit, dass mehr Tempo-30-Zonen den Straßenverkehr sicherer machen, den Fuß- und Radverkehr fördern und die Aufenthaltsqualität erhöhen. Gerade innerorts führe Tempo 30 kaum zu Verzögerungen, wie Untersuchungen ergeben hätten. „Wir bleiben weiter dran“, sagte Bauamtsleiter Armin Nöh. Auch die Fachplaner, die das Mobilitätskonzept erstellen, wünschen sich mehr Tempo-30-Zonen. „Sie sprechen uns vom Prinzip her aus der Seele“, sagte Thomas Mühlinghaus vom Planungsbüro „VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH“.
Darüber hinaus stellte Thomas Mühlinghaus zusammen mit Fabian Wolters vom Planungsbüro IRS aus Varel einzelne Maßnahmen vor, die sie der Stadt im Mobilitätskonzept voraussichtlich vorschlagen. Einige davon hat die Politik bereits in der Vergangenheit diskutiert, zum Beispiel die Einrichtung einer Einbahnstraße für Kraftfahrzeuge (Kfz) in der Sevelter Straße/Bahnhofstraße, beginnend ab der Kreuzung zur Eschstraße.
Eine Einbahnstraße bringe mehrere Vorteile mit sich: Der Durchgangsverkehr von der Hagenstraße zum Marktplatz würde reduziert und die Verkehrsbelastung dadurch gesenkt; die Einkaufsinnenstadt würde attraktiver, während sie weiter für alle Verkehrsteilnehmer erreichbar bleibt; der Radverkehr würde sicherer und gefördert.
Ein Anlieger der Straße Pingel-Anton befürchtet jedoch, dass die Einbahnstraße noch mehr Autos über den Pingel-Anton lenken würde, obwohl täglich schon zu viele Autos über die Straße fahren würden. Mühlinghaus erklärte, dass es das Ziel sei, den Durchgangsverkehr um die Stadt herumzuführen, um Straßen wie den Pingel-Anton zu entlasten. Gleichzeitig betonte er, dass die Erreichbarkeit für Kfz weiter gegeben bleiben müsse.
Weiter sieht der bisherige Entwurf des Mobilitätskonzepts vor, mehrere Fahrradstraßen einzurichten, die sich an den Hauptradrouten orientieren sollen. Wie bereits berichtet, könnte der „Bült“ zur Fahrradstraße werden. Auch hier schlagen die Planer eine Einbahnstraßenregelung vor.
Zudem könnte sich die bereits beschlossene zweite Fahrradstraße der Stadt entlang der Eisenbahnstraße verlängern: Im Mobilitätskonzept ist vorgesehen, die Bahnhofstraße ebenfalls zur Fahrradstraße umzugestalten, von der Einmündung zur Eisenbahnstraße bis zum Pingel-Anton-Kreisel. So könne die Stadt eine „Fahrradstraßenachse“ als Teil der Ost-West-Route etablieren, zu der auch die bestehende Fahrradstraße (Kirchhofstraße) gehört.
Neben dem schon geplanten Mobilitätszentrum an der Bürgermeister-Heukamp-Straße schlagen die Planer vor, weitere Mobilitätszentren im Stadtgebiet zu verteilen, zum Beispiel am Bahnhof, am Marktplatz und am ZOB. Dort könnten sich Bürger unter anderem Räder und Autos leihen.
Einige Bürger äußerten Bedenken, dass die Verkehrswende das Auto aus Cloppenburg verdrängt, was der Stadt als „Einkaufsstadt“ schaden würde. Armin Nöh betonte, dass Autofahrer die Kernstadt auch in Zukunft erreichen können sollen. Gleichzeitig müssten jedoch auch andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer komfortabel und sicher in die Innenstadt fahren können. Bis es soweit ist, könnte es noch dauern: Die Planer schätzen, dass die Stadt 10 bis 15 Jahre braucht, um das Mobilitätskonzept vollständig umzusetzen – falls sie sich dafür entscheidet.
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